Hintergrund

Der Seidenraupen-Cross – welch schönes Ründchen durch ein atemberaubendes Stück Natur. Die Möglichkeit, 6,6 oder 16 Kilometer am Stück durch ein Naturschutzgebiet zu laufen, bietet sich wohl sonst nur höchst selten. Doch was gibt es in diesem Naturschutzgebiet (genauer: Es sind zwei: Das NSG Hülser Bruch und das NSG Flöthbach), denn eigentlich alles so zu entdecken? Einiges!

Seltene Pflanzen nach rund einem Kilometer

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Die Buschwindröschen blühen nur für kurze Zeit.

Schon kurz nach dem Start geht es in die Natur. Links und rechts wandern eure Blicke auf Felder und Wiesen, auf denen Schafe und Rinder weiden. Die ersten 1000 Meter führen euch schon tief ins Grüne. Kurz vor der ersten Linkskurve liegt rechter Hand ein kleines, recht unscheinbares Fleckchen Grün.

Hier, an der Ecke Hölschen Dyk, Rohrammerdyk, erblühen im Frühjahr für wenige Wochen die seltenen weißen Buschwindsröschen, das im satten Gelb stehende Scharbockskraut und der violette Gundermann. Weil die Bergahorne über ihnen noch keine oder nur kleine Blätter tragen, schnappen sie das Sonnenlicht auf, speichern mittels der Photosynthese gewonnene Energie und locken mit ihren Blüten Insekten an, die gerade erst aus der Winterstarre erwachen. Aber das ist jetzt schon wieder ein paar Monate her und wirkt daher recht unscheinbar.

Vor 150 Jahren: Sumpf, nichts als Sumpf

Übrigens: Die wellige Form des Untergrundes, die ihr hier und an vielen anderen Stellen im Bruch wiederfinden könnt, stammt noch aus den Anfangsjahren des Bruchs und ist von Menschenhand gemacht. Die Waldwirtschaft machte aus dem Sumpfgebiet ein bewaldetes Gebiet. Vor 150 Jahren standen hier noch keine Bäume, weit und breit war nichts als Sumpf.

Dann aber wurden die sogenannten Meliorationswälle aufgeschüttet, die an vielen Stellen das Bruch bis heute prägen. Unten sammelte sich das Wasser, oben konnten Bäume wachsen. Gleichzeitig entstanden die Dyks, die Deiche. Sie bilden heute die vielen Wege, die durch das Bruch führen und auf denen Teile des Seidenraupen-Cross verlaufen.

Angelegt wurden sie nach einem einfachen Maßstab: Links und rechts wurden Gräben mit jeweils einer Breite von einer preußischen Rute (3,76 Meter) gegraben, die Masse wurde in der Mitte auf dem Dyk aufgeschüttet, der ebenfalls eine Rute breit war. So war es den Waldarbeitern möglich, an die Hölzer zu gelangen und diese abzutransportieren.

Vöglein piep

Mit dem Wald kamen die Tiere. Und diese fühlen sich hier pudelwohl, sofern sie nicht gestört werden. Auch deswegen gilt es, sich rücksichtsvoll zu verhalten. Tiere in freier Wildbahn erlebt man hier am ehesten frühmorgens. Wer dem Sonnenaufgang entgegenläuft, erblickt nicht selten ein Reh im Dickicht.

Ein Zeitgenosse macht aber auch sonst auf sich aufmerksam: Der Bussard am Hülser Berg, der sein Revier entlang des zweiten Kilometers zwischen Mai und Juli mitunter auch schon mal rabiat verteidigt und ungebetenen Besuchern mit Sturzflügen und Kratzern mitteilt, dass er gerade gar nichts davon hält, in seiner Brutzeit gestört zu werden.

Zwei Tricks gibt es, um ihm nicht zu begegnen. Da er stets die höchste Stelle attackiert, also den Kopf, kann man sich verlängern – also einen Stock mitführen, den man dann über sich hält. Käme es jetzt zum Angriff, würde der Bussard das obere Stockende anvisieren. Da das Tragen eines Stockes natürlich recht hinderlich ist, empfehlen wir, zumindest während der Brut, das Tragen einer Mütze / Cap, die zwei Augen oder ähnliches aufgedruckt hat. Diese muss nun verkehrtherum getragen werden, so dass es vorne und hinten ein Augenpaar gibt. Der Bussard fühlt sich nun also stets bei einem Angriff beobachtet und lässt diesen daher lieber sein.

Krefelds höchster natürlicher Berg: Der Hülser Berg

Hülser Berg
Einer der vielen kleinen Wege über den Hülser Berg.

Der Hülser Berg, der nach zwei Kilometern erreicht wird und mit dem ersten knackigen Anstieg aufwartet, ist mit unglaublichen 63 Metern die höchste natürliche Erhebung in der Stadt. Wobei „natürlich“ auch ein wenig geflunkert ist: Er entstand während des Drenthe-Vorstoßes der Saale-Eiszeit vor ca. 150.000 Jahren. Das aufgeschichtete Geröll, welches die Gletscher von Skandinavien kommend vor und unter sich her- und mitschoben, blieb nach dem Abtauen in Form einer Stauchendmoräne zurück.

Funde von Feuersteinartefakten (Pfeilspitzen und Feuersteinabschläge) belegen, dass hier schon zwischen 8000 bis 5000 vor Christus Menschen lagerten, 1909 fand man Reste eines Keltenlagers.

Um den Berg ranken sich allerhand Sagen: So soll ein Riese mit einer Schubkarre voll Sand und Lehm aus dem Vorgebirge des Harzes des Nächtens gestolpert sein, der Hülser Berg war entstanden. Die Hülser, per se ein eigenwilliges und launisches Völklein, erzählen sich dagegen Geschichten von den „Erdmännekes vom Hölschenberg“, die wie die Heinzelmännchen gute Taten vollbringen. Ob es die gleichen sind, wie die aus der nächsten Sage? Wer weiß… Diese handelt jedenfalls von Erdmännchen oder auch Herdmännchen, ursprünglich wohnhaft in Wachtendonk und dann von den dortigen Anwohnern vertrieben. Sie siedelten sich danach am Hülser Berg an, genauer dort, wo heute der Aussichtsturm steht. Die Bauern der Umgegend hörten laut Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%BClser_Berg) oft Geräusche, wenn sie an dem Berg vorbeigingen, konnten aber nie etwas finden. Es heißt, solange die Erdmännchen in dem Berg wohnten, hatten die Bauern gute Tage. Die gleiche Quelle spricht auch von einem Zwergenvolk, „welches im Berg wohnte. Sein König unterhielt ein Verhältnis mit der Tochter des Grafen von Krakauen bei Krefeld. Einmal wurde er vom Grafen überrascht und von ihm mit einem Pfeilschuss getötet. Das Zwergenvolk im Hülser Berg begrub ihren König am Schlossteich des Grafen und sang dabei einen seltsamen Grabgesang. Jedes Mal, wenn sie das Lied gesungen hatten, sprang einer von ihnen in das Wasser, bis sie schließlich alle ertrunken waren.“ Weitere Mythen und Hintergründe finden sich hier (https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-115816-20150227-4), wo es vornehmlich um die Entstehung der Eremitenquelle geht, an der der SRC ebenfalls vorbeiführt.

Direkt unterhalb der Quelle steht übrigens der Heinrich-Mertens-Gedenkstein. Der Stein erinnert, wie auch der gleichnamige Weg, an Heinrich Mertens, Volksschullehrer aus Hüls, Förderer des Jugendwanderns, und 1928 Mitbegründer des Vereins Linker Niederrhein (heute Verein Niederrhein).

Neben dem Spielplatz an der Bergschänke und dem Johannesturm (29 Meter hoch, 163 Stufen) sind die Wildgehege eine beliebte Attraktion. Besonders die Wildschweine haben ihre Fans, aber auch im Rotwild (im südlichen Teil)- und Damwildgehege (westlich) gibt es immer etwas zu entdecken.

Oben auf dem Berg werdet ihr an vielen Vertiefungen vorbeikommen, den sogenannte Tonkuhlen: Hier haben früher die Lehmstecher ihr Material gewonnen, was sie an die Hülser Pott- und Pannebäcker (Töpfer und Hersteller von Dachziegeln) weitergaben. Wikipedia weiß: Hüls war vom 17. bis 19. Jahrhundert eines der bedeutendsten Pottbäckerdörfer am linken Niederrhein. Übrigens: Der Hülser Berg liegt gar nicht in Hüls, sondern offiziell in der Gemarkung Traar. Er stellt allerdings einen eigenen Stadtteil dar.

Während sich die Läufer der kürzeren Route nach einer kurzen Verschnaufpause auf dem Talring am Rotwild-Gehege wieder den Hülser Berg hinaufwuchten und über viele Links- und Rechtskurven und Up and Downs gen Zielflagge spurten, biegen die Läufer der 16 Kilometer-Strecke nach links ab und haben nun erst einmal einige flache Kilometer durch dichten Wald vor sich.

Wobei – dicht war einmal. Wer sich hier über Flächen wundert, die quasi kahlgeschlagen wurden, sollte sich über das Eschentriebsterben informieren. Das „Falsche weiße Stängelbecherchen“ setzt den Eschen arg zu und der Eschenprachtkäfer sorgt ebenfalls dazu, dass die Bäume auf Dauer keine Zukunft hier haben werden. Nachpflanzungen mit anderen Arten werden aber regelmäßig durchgeführt, so dass es in wenigen Jahren hier wieder deutliche dichter sein dürfte.

Übrigens: Nicht weit von hier erinnert ein weiterer Gedenkstein an den Spinnenforscher Herbert Casimir, der hier seltene Spinnenarten wiederentdeckte – ein Beweis für die Flora und Fauna, die sich dank der Schutzprogramme heute im Hülser Bruch wiederfindet.

Der Flöthbach

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Der Flöthbach wird mehrmals überquert. Er umfließt den Kapuzinerberg.

Mit ein Grund dafür ist der Flöthbach, der das Gebiet im westlichen Teil durchfließt. Das Gewässer entspringt im Bereich der Reitanlagen Kühnen und wird den Läufern erstmals kurz vor Erklimmen des Kapuzinerbergs, um den es gelegt wurde, ersichtlich.

In den 1930er Jahren wurde das Bächlein, dessen Hauptaufgabe von je her war, die Stadtteile Inrath, Hüls und Orbroich zu entwässern, aus wirtschaftlichen Gründen begradigt, was allerdings zu Lasten seiner biologischen Funktion ging. Dem besann man sich vor einigen Jahren: Mithilfe eines Renaturisierungsprogramms wurden an vielen Stellen das Ufer abgeflacht und einige Flutmulden geschaffen, die für Stichlinge, Grasfrösche und Blutegel in Trockenzeiten überlebensnotwendig sind. Im Sommer fällt der Bach nämlich häufig trocken.

Erste Ergebnisse sind bereits zu erkennen: Die Natur holt sich den Bach zurück, seltene Tiere, wie zum Beispiel der Eisvogel haben sich angesiedelt. Nähere Infos gibt es hier: http://www.heimat-krefeld.de/website/dieheimat/2009/DH80/241-245.pdf

Wie die Berge zehnfach überhöht aussehen, ist auf dem Foto unten gut zu erkennen. Die Hochschule Niederrhein ist aktuell dabei, ein 3D-Modell der Stadt zu erstellen (mehr dazu: https://www.hs-niederrhein.de/elektrotechnik-informatik/personen/goebbels/praxisphase/), daher die Grafik.

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Kapuzinerberg, Inrather-Berg und Hülser Berg (von links) – zehnfach überhöht. Copyright: Geobasis NRW 2014

Der Kapuzinerberg: Bis 2004 eine No-Go-Area

Kapuzinerberg ohne Kreuz
Das bekannte Gipfelkreuz auf dem Kapuzinerberg fehlt zur Zeit.

Zunächst also gilt es den Kapuzinerberg zu besteigen. Mit 77 Meter wird seine Gipfelhöhe angegeben, andere Quellen sprechen von 74 Metern.

Bis Mitte der 1970-er Jahre wurde hier Hausmüll deponiert. Später stellte man dann fest, dass sich dadurch Methangas bildete, der Kapuzinerberg war fortan für die Öffentlichkeit geschlossen. Auch das Grundwasser war in Mitleidenschaft gezogen worden, es wurde eine hohe Salzbelastung festgestellt.

Im August 2003 begannen die Sanierungsarbeiten, unterstützt vom Land. Am Gipfel wurde eine Gasdrainage gelegt, damit das Methan an den Rändern entweichen kann. Über die Drainage wurde eine Folie gelegt, um das Einsickern von Regen und die damit verbundene Auswaschung von Schadstoffen zu verhindern. On top kamen 80 Zentimeter Lehm, auf der sich die bis heute schon üppige Vegetation entwickeln kann. Die Wege wurden erneuert und über Rinnen kann das Wasser in den umgeleiteten Flöthbach fließen.

Der Aufstieg über die Originalroute erfolgt zunächst über einen schmalen, steilen Weg an der Nordost-Flanke, ehe es auf dem normalen Weg nach oben geht. Hier gibt es am Gipfelkreuz zwei Bänke, die zu einer Ruhepause geradezu einladen. Der Blick über Krefeld ist atemberaubend. Leider lockt das aber auch immer wieder ungebetene Gäste an. Es liegt leider viel Müll herum, die Bänke werden gerne beschmiert und nicht selten wird auch gezündelt.

Über einen Downhill geht es dann etwas nach unten, doch Vorsicht. Der Kommunalbetrieb Krefeld hat den Weg kürzlich durch Grünschnitt oben und unten gesperrt, da hier viele Mountainbiker unterwegs waren. Das bedeutet für Läufer oben einen kleinen Umweg, der aber nach wenigen Metern wieder auf die Originalroute führt.

Auf der Mittelstation wartet ein weiteres Kreuz, dessen Herkunft wir aber ebenso wenig kennen, wie das dritte, welches allerdings nicht auf der SRC-Strecke liegt.

Der Inrather Berg aka Monte Klamotte: Schutt – fast 100 Meter hoch

Inrather Berg
Sonne auf dem Weg hoch zum Inrather Berg.

Während der Kapuzinerberg auf seinem Gipfel keine Bäume hat, ist der benachbarte Inrather Berg bis oben hin bewaldet. Seine 87 Meter sind das Ergebnis einer ehemaligen Bauschuttdeponie, darunter auch Schutt aus dem Zweiten Weltkrieg, der hier und da auch noch aus dem Boden lugt. „Monte Klamotte“ nennen ihn deswegen die Krefelder liebevoll.

Wer morgens früh schon unterwegs ist, kann hier ebenfalls einen Greifvogel ausmachen, der aber längst nicht so aggressiv wie der am Hülser Berg ist.

Am Fuße des Inrather Berges ist übrigens ein (eingezäunter) Schießstand, dessen Ursprung auf die Husaren zurückgeht, die zwischen 1906 und 1914 in Krefeld stationiert waren. Auch die Nazis nutzen den 400 Meter langen Schießstand, wohl auch, um hier Hinrichtungen zu begehen, wie die WZ mit Berufung auf Aurel Billstein schreibt. 2012 wollte ein windiger Geschäftsmann die Anlage in einen Outdoor-Spielplatz für Erwachsene verwandeln – ohne jedoch auch die nötigen Genehmigungen dafür zu besitzen. Mit ein Grund für die Umzäunung sind Munitions- und Sprengstoffreste, die man auf dem Areal vermutet.

Spannend ist die Mountainbike-Donwhill-Strecke, die hier liebevoll vom Verein Hometrail Krefeld angelegt worden ist. Drei unterschiedlich schwere Routen bieten hier ein flottes „Runterkommen“. Für Läufer sind die Downhill-Strecken übrigens tabu: Sie würden sie erstens schlicht kaputttrampeln, zum anderen ist es lebensgefährlich, wenn einem ein Biker im Affenzahn entgegenkommt oder er überholt. Bleibt also bitte auf dem Weg, der sich um den Berg nach oben schlängelt.

Bachstelzendyk
Der buschige Bachstelzendyk.

Jetzt geht es aber wieder zurück. Entlang des Langen Dyks und des Bachstelzendyk erreichen die Läufer das Ziel, nicht ohne noch einmal durch die pure Natur zu laufen.

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