LISA UND DER ACONCAGUA: Spannender Kampf und Todesangst


Teil acht der Serie „Lisa und der Aconcagua“.

Wir schafften es! Unter großen Anstrengungen haben wir es bis Tag 13 ins Camp Cholera auf 6.000m geschafft. Und wir waren alle in guter Verfassung. Das Gefühl etwas geschafft zu haben, was vor 2 Tagen noch quasi unmöglich schien, hat uns alle beflügelt. Und dann gab es nach dem Mittagessen eine überraschende Info: Wir haben das volle Briefing für den Summit bekommen!

Es gab nicht unbedingt eine verbesserte Wettervorhersage, aber da die letzten 2 Tage etwas milder abgelaufen waren als vorhergesagt, und wir als Gruppe so stark geworden sind, sagten die Guides uns, dass wenn der Wind akzeptabel wäre, wir den Summit Push versuchen würden.

Der Summit Push

Aufstieg nach Camp 3.

Summit Push, was bedeutet das? Es bezeichnet die letzte Etappe auf den Gipfel, welche meistens den anstrengendsten Abschnitt der ganzen Besteigung darstellt. Der Summit Push am Aconcagua umfasst knapp 1.000 Höhenmeter in sehr hoher Höhe. Er lässt sich in ungefähr 3 Abschnitte unterteilen, die jeweils 3 Stunden dauern. Das erste Stück reicht von Camp 3 vorbei an einer Felsformation namens White Rocks bis zum Refugio Independencia – das herausforderndste an diesem ersten Abschnitt: Es würde um 5 losgehen, unfassbar kalt und dunkel sein.

Camp 3 bei der Ankunft.

Der Endpunkt dieses ersten Abschnitts ist entscheidend, denn wer hier schon erschöpft ist, muss umkehren. Ab Independencia würden wir dann Sonne haben und einen kleinen Pass überqueren hin zu einer langen Traverse, die zum Schluss hin immer steiler werden würde. Die Bedingungen hier sind sehr wechselhaft, da hier sehr viel Wind sein kann. Für die Querung bräuchten wir auch unsere Steigeisen. Der Beginn des letztens Abschnitts nennt sich La Canaleta. Dieser Abschnitt ist steil und felsig – außerdem befindet man sich hier bereits auf 6.800m. Die Luft ist extrem dünn und durch die Anstrengungen steigt die Atemfrequenz, was zur beschleunigten Dehydrierung führt. Was bei alldem außerdem bedacht werden muss – nach dem Gipfel kommt noch der Rückweg runter zum Camp 3. Viele Menschen verausgaben sich auf dem Weg nach oben und haben dann große Probleme im Abstieg.

Glücklich und stark – aber dann kam alles ganz anders

Wir sind dann alle in unsere Zelte gegangen und haben unsere Kleidung und Taschen vorbereitet – ein komisches Gefühl, jetzt den Summit Push vorzubereiten, hatte ich doch schon vor vielen Tagen damit abgeschlossen. Aber wir waren glücklich und stark. Lise und ich sind mit einem guten Gefühl in unsere Schlafsäcke gekrochen. Gegen 3 sollten wir geweckt werden.

Aber dazu kam es nicht. Das Wetter nahm in den folgenden Stunden Fahrt auf, zu starkem Sturm kam gegen Mitternacht noch Schnee dazu. Es war eiskalt und keine Sicht gegeben. Ich lag ab 3 Uhr wach in meinem Schlafsack, der Wind machte mir Angst, ich fühlte mich nicht gut. Als die Guides uns gegen 6 Essen ans Zelt brachten, habe ich wegen Übelkeit keinen Bissen runterbekommen. Den Summit hatte ich schon nachts abgehakt, jetzt hatte ich Angst, dass wir in den Bedingungen so nicht runterkommen würden, weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Wir waren das einzige Team, dass am Vortag noch aufgestiegen ist – die Schweden und Amerikaner waren sicherheitshalber in Camp 2 geblieben. Wir waren alleine auf dieser Höhe, es konnte keiner zu uns kommen und wir konnten nicht runter. Und mit diesem Gefühl lagen Lise und ich alleine mehrere Stunden in unserem Zelt, dass teilweise so heftig hin und her geschleudert wurde, dass wir in der Mitte lagen, möglichst weit weg von Zeltwänden und Stangen. Im Vorzelt lag der Schnee….

„Ich wollte nur noch nach Hause!“

Lise (grün) und ich (rot) in der Schutzhütte.

Ich wollte nur noch nach Hause. Und dann kam einer unserer Guides und sagte, wir sollten unsere Tasche packen, er würde uns in die Schutzhütte am Rand des Camps bringen. Irgendwie klang das nicht gut, wir versuchten unsere Sachen zu packen, aber wir waren beide dehydriert und hatte keine Energie, weil wir nichts gegessen hatten. Zwei unserer Guides haben uns dann rüber gebracht mit Matten und Schlafsäcken und haben hinterher unsere Taschen gepackt. In der Hütte saßen wir dann mit allen und haben gehofft, dass wenigstens der Schnee aufhört. Keiner wollten hier oben schlafen. Mehrere Zelte waren zerstört/weggeflogen. Lise hat leise geweint, ich habe neben ihr im Schlafsack gelegen und hab an meine Familie gedacht.

Irgendwann wurde es heller in der Hütte – die Sonne war zu sehen, der Schnee hatte aufgehört. Und wir konnten absteigen. Es dauerte ca. 5 Stunden für knapp 1600m runter und dann saßen wir da im Base Camp Plaza de Mulas. Draußen auf Sesseln, tranken ein Bier und haben die Sonne genossen – so unfassbar schön und so unglaublich surreal. Was alles an einem einzigen Tag passieren kann! An den Summit hat keiner mehr gedacht, wir waren alle einfach glücklich.

Bisher erschienen

LISA UND DER ACONCAGUA: SONSTIGE HERAUSFORDERUNGEN AM BERG (7)

LISA UND DER ACONCAGUA: AMS UND HAPE (6)

LISA UND DER ACONCAGUA: DIE HIGH CAMPS (5)

LISA UND DER ACONCAGUA: HYGIENE AM BERG (4)

LISA UND DER ACONCAGUA: DAS TEAM UND DIE TARANTELN (3)

LISA UND DER ACONCAGUA: DIE VORBEREITUNG UND DIE AUSRÜSTUNG (2)

LISA ERNEUT „ON TOUR“ (1)

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