Krefeld first: Her mit der Gretel-Bergmann-Straße (und weg mit der Hans-Günther-Sohl-Straße)


Die Leichtathletin Gretel Bergmann (später Margaret Lambert) ist in der vergangenen Woche im Alter von 103 Jahre gestorben. Ein wahrlich stolzes Alter für eine wahrlich stolze Frau. Bergmann war in den 1930er-Jahren Deutschlands beste Hochspringerin. An den Olypmischen Spielen 1936 in Berlin durfte sie aber trotzdem nicht teilnehmen, die Nazis schlossen sie wegen ihre jüdischen Herkunft aus.

csm_bergmann_g_hochsprung_2014_museum_zur_geschichte_von_christen_und_juden_54117556f5
Gretel Bergmann. Foto: Museum zur Geschichte von Christen und Juden

Verbittert hat sie ein Jahr später ihre Heimatstadt Laupheim Richtung New York verlassen, wo sie nun, am Donnerstag, 25. Juli, verstarb. Sie wollte das Schicksal der Juden nie vergessen, zahlreiche Familienmitglieder kamen unter den Nazis um. „Wissen Sie, es ist nicht schön, mit all der Bitterkeit im Inneren zu leben“, sagte sie bei ihrem ersten Besuch nach dem Krieg 1999 in Deutschland.

Embed from Getty Images
Skulpturen jüdischer Sportler, darunter auch eine von Gretel Bergmann, wurden im Rahmen der Ausstellung „Zwischen Erfolg und Verfolgung“ 2015 auf dem Washingtonplatz in Berlin ausgestellt. Foto: Boris Streubel/Getty Images

Krefeld könnte nun mit gutem Beispiel voran gehen, wenn es sich zu einem mutigen Schritt entscheidet und eine umstrittene Straße in Gretel-Bergmann-Straße umbenennt. Warum, mögen jetzt einige Fragen – und ja: Gretel Bergmann hatte nie etwas mit Krefeld zu tun, sie stammte, wie schon gehört, aus Laupheim und den Großteil ihrer Wettkämpfe bestritt sie in Süddeutschland bzw. in England und später in den USA. Allein ihre sportlichen Erfolge, aber auch ihr Schicksal, sollte allerdings Grund genug sein. Zudem: Eine Gretel-Bergmann-Straße wäre einzigartig in ganz Deutschland.

Gretel-Bergmann-Stadion_(Laupheim)
Das Gretel-Bergmann-Stadion in Laupheim. Foto: Von Wald-Burger8 – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=43177717

Es gibt in Berlin einen Gretel-Bergmann-Weg und eine Gretel-Bergmann-Sporthalle sowie in Laupheim das Gretel-Bergmann-Stadion, aber eine Gretel-Bergmann-Straße gibt es eben nicht. In ganz Deutschland! Krefeld stünde also im Fokus, würde ob dieser Umbenennung auch überregional in die Schlagzeilen geraten. Wer noch immer zweifelt und den regionalen Bezug vermisst, möge die Gegenfrage beantworten: Was hatten Ebert, Schumann, Fröbel und viele weitere mit Krefeld zu tun, dass ihnen hier eine Straße gewidmet wurde?

Nur wo? Im Süden unserer Stadt, in Fichtenhain!

Nun wissen wir natürlich, dass Straßenumbenennungen nie einfach sind. Sie kosten viel Zeit, Bürokratie, treffen die Anwohner/Anlieger und benötigen vor allem das Einverständnis der Politik. Sie bieten in diesem Fall allerdings auch die Chance, ein deutliches Zeichen zu setzen, denn wir wüssten auch, wo eine Gretel-Bergmann-Straße entstehen könnte: Im Süden unserer schönen Stadt. Hier, in Fichtenhain, gibt es seit 2006 die Hans-Günther-Sohl-Straße. Mittlerweile die einzige in ganz Deutschland, denn vor wenigen Wochen wurde in Düsseldorf die dortige Hans-Günther-Sohl-Straße in Luise-Rainer-Straße umbenannt. Die Landeshauptstadt erinnert damit nun an die Düsseldorferin Luise Rainer, die als einzige deutsche Schauspielerin zwei Mal den Oscar gewonnen hat. Übrigens auch eine Jüdin.

Sohl war Nazi und machte damit Karriere

Was haben Rainer und Bergmann, was der Industrielle Hans Günther Sohl nicht hat? Vor allem eine reine Weste, was die Vergangenheit angeht: Sohl war Nazi, er trat 1933 in die Partei ein und machte mit dem Hakenkreuz am Revers Karriere in der Stahlindustrie bis hin zum stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Vereinigten Stahlwerke und zum Wehrwirtschaftsführer. Es dürfte klar sein, dass er den Einsatz Tausender Zwangsarbeiter und Kriegsgefanger in der Produktion seines Unternehmens wohlwissend gebilligt hat und deren Tod in Kauf nahm.

Düsseldorfer und Krefelder Experten im Widerspruch

Eine Kommission aus Geschichtsexperten und Vertreter der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf war jetzt zu dem Entschluss gekommen, dass Sohls Vita zu braun sei, ergo sein Name aus dem Straßenverzeichnis zu löschen sei. In Krefeld teilte man diese Meinung im Februar 2015 allerdings nicht, hier sieht man den gebürtigen Danziger als „Mitläufer“ an. So, wie er auch in den Entnazifizierungsverfahren gesehen wurde. Dennoch: Für 18 Monate saß er nach dem Krieg in verschiedenen Internierungslagern.

Die Bosse deckten sich: Karriere auch nach 1945

Wie so viele ehemalige hochrangige NSDAP-Mitglieder machte Sohl aber auch danach munter Karriere, die Seilschaften der Nazis wirkten bekanntlich auch nach 1945 noch lange und bestens nach. Ein gutes halbes Jahr nach seiner Entlassung, jetzt quasi reingewaschen, wurde Sohl erneut in den Vorstand der Vereinigten Stahlwerke berufen. 1953 wurde er Vorstandsvorsitzender der Thyssen AG und hatte diesen Posten 20 Jahre inne. Von 1956 bis 1969 war er Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie und von 1972 bis 1976 Vorsitzender des Bundesverband der Deutschen Industrie (Quelle: Wikipedia; Über Sohl gibt es übrigens eine sehenswerte Doku des SR.). Diese „Verdienste“ führten laut Rheinische Post auf Betreiben der Thyssen Krupp Real Estate dazu, die damals recht unscheinbare und recht kurze Straße in Fichtenhain nach Sohl zu benennen. Heute hat sich das Gelände als „Logistikpark Süd“ jedoch entwickelt. An der Hans-Günther-Sohl-Straße sitzen weltweit agierende Unternehmen wie der Logistiker DSV, der Sportartikel-Hersteller Asics und der Einrichter Lüllmann. Unschön: Alle eben mit einem Nazi als Namenspatron auf ihrer Visitenkarte.

Weg mit der Hans-Günther-Sohl-Straße, her mit der Gretel-Bergmann-Straße!

Freilich, wir sind keine Experten. Aber wir fühlen, wir schmecken geradezu das deutliche „Geschmäckle“ an Sohls Namen, die braune Soße, die an ihm haftet. So etwas braucht Krefeld, das sich stets als tolerante und menschliche Stadt ansieht, das immer offen für Verfolgte aus aller Welt war und ist, nicht. Für diese Erkenntnis muss man auch kein Experte sein, sondern einfach nur ein denkender und vor allem ein fühlender Mensch. Daher: Weg mit der Hans-Günther-Sohl-Straße, her mit der Gretel-Bergmann-Straße. Word! (mak)

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: