Der Fastenzeit auf der Spur


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Grade noch wild Karneval gefeiert, wird jetzt gefastet.

Mit dem gestrigen Beginn der Fastenzeit sind sie wieder da: Die Kostverächter. Die, die sich gerade noch den Schluffi (das süße Schnäpschen des Nordbahnhofes, das so köstlich an einen kleinen Feigling erinnert) reinkippten und sich eine herrlich-fettige Pommes vom Sprödental-Grill genehmigten. Und die an Karneval wild geschunkelt, gebützt und gesungen haben. So nach dem Motto „Nur her mit den Kamellen, jedes Bier muss runter!“ Und die jetzt, zumeist griesgrämig und sich selbst bemitleidend, durch die Welt laufen, und mit einem schiefen Blick Bier, Schokolade und Kippen von sich wegschieben, als wäre es das größte Übel der Menschheitsgeschichte.

Jeder zweite Deutsche hat laut einer aktuellen Forsa-Studie (im Auftrag der DAK) bereits mindestens einmal für mehrere Wochen gefastet (53 Prozent; Quelle: www.dak.de/dak/bundes-themen/Fasten_2016-1763080.html; NRW kommt auf den deutschlandweiten Spitzenwert von 64 Prozent). In diesem Jahr scheinen sich, so die DAK, vor allem junge Leute zwischen 18 und 29 Jahren dem bewussten Verzicht verschrieben zu haben: Zwei Drittel von ihnen wollen fasten oder können sich dies vorstellen.

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Macht der Döner schöner? 38 Prozent würden in der Fastenzeit auf Fleisch verzichten.

Laut DAK stehen 2016 folgende Verführungen auf der Verschmähungsliste: Alkohol (67 Prozent gaben an, hier rauf am ehesten verzichten zu würden), Süßigkeiten (66 Prozent), Fleisch (38 Prozent), Fernsehen (33 Prozent), Rauchen (32 Prozent), Handy/Computer (21 Prozent) und Auto (15 Prozent) – allesamt also Dinge, die uns gemütlicher machen und bestimmt nicht schneller und fitter. Demzufolge ist das Fasten an sich scheinbar für uns Sportler nicht die schlimmste Methode, (zurück) in die Spur zu kommen.

Jetzt haben wir uns natürlich aber mal umgeschaut und geforscht, ob so eine temporäre Abkehr vom lasterhaften Leben überhaupt etwas bringt. Kurze Bemerkung vorab: Wer sich für das „wirkliche“ Fasten in Kombination mit Sport interessiert, also nicht nur die 40 Tage bis Ostern, sondern mit Entschlackung, nur Wasser süppeln und so, wird hier fündig: www.runnersworld.de/ernaehrung/marathon-und-fasten-passt-das-zusammen.159626.htm, http://heilfastenkur.de/43-Sport-und-Fasten-passt-das-zusammen.htm, www.laufen.de/fasten-darauf-musst-du-achten). Zusammenfassung aller drei Artikel: Ja, kann gesund sein. Aber Fasten und harten Sport sollten nur wirkliche Experten kombinieren. Wer sich eher der Kategorie „Gelegenheitsjogger“ zuordnet, sollte sich lieber für eine Sache entscheiden.

Die Wahrheit liegt in der Selbstreflexion

Da sich ein Großteil der Menschen in Alkoholverzicht üben möchte, empfehle ich den Klick zu jenem Artikel aus der gestrigen Ausgabe der Welt: www.welt.de/gesundheit/article152048800/Was-eine-Alkoholpause-Ihrem-Koerper-wirklich-bringt.html. Wie bei allen Gesundheits-Themen gibt es auch hier viele differenzierte Meinungen, ob es etwas bringt. Die Wahrheit liegt in der Selbstreflexion: Geh heute Abend saufen, Schnaps, Bier, Korn und Wein – und laufe morgen 25 Kilometer. Sie werden dir einfach grausam vorkommen. Schüttest du dich heute aber nicht zu, dürften sie relativ locker werden (vorausgesetzt, 25km passen in dein Pensum – zehn KM dürften den gleichen Effekt haben, sind aber natürlich nicht so quälend lang wie die 25km).

Lauf-Guru Herbert Steffny hat es mal ganz treffend zusammengefasst: „Größere Mengen an Alkohol bedeuten eine hohe Zufuhr „leerer Kalorien“, wirken harntreibend und stören den Wasser- und Mineralhaushalt sowie das Nervensystem, verschlechtern die Muskelkoordination und (Achtung Männer) verringern die Potenz. Zudem führen sie zu Schädigung der Magen- und Darmschleimhäute, fördern Stoffwechselerkrankungen, Gicht, Bluthochdruck, Herzmuskelschwäche und Leberversagen.“ Dass die Regeneration verlangsamt wird, dürfte auf der Hand liegen. Perfekt zum Thema „Laufen und Alkohol“ passt der Text von Frank Joung (www.achim-achilles.de/ernaehrung/gesund-essen-und-trinken/2662-laufen-a-alkohol-die-wichtigsten-regeln.html, der auch viel Hintergrundwissen bietet.

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Eierlikör und Bitter Lemon ergeben einen traumhaften Mix ala Südsee. Wem das zu süß ist, greift lieber zum Bier.

Nachgewiesen ist, dass sich Alkohol und Sport kaum vertragen. Schon ab 0,5 Promille lassen körperliche Leistungsfähigkeit und motorische Fähigkeiten deutlich nach. Die Amateur-Fußballer unter uns können sich sicherlich noch an das ein oder andere Spiel erinnern, das sie mit Restalkohol absolvierten und bei dem sie häufig auch mal sprichwörtlich am Ball vorbeiflogen oder der Gegenspieler von dannen zog.

Alles also keine neuen Erkenntnisse, die wir nicht schon selber gespürt haben – ebenso wie, dass die Zigaretten besser sind, wenn wir sie im Automaten lassen und die Tafel Schokolade zwar schmeckt, aber eben 500 Kalorien intus hat, die man erst einmal wieder runterrennen muss. Wir wissen genauso, dass ein Buch besser ist als drei Stunden Glotze, dass das Auto der Umwelt schadet und mir Bewegung abnimmt und das ein persönliches Gespräch sicherlich schöner ist als ein Telefonat.

Soll heißen: Mit dem Verzicht in der Fastenzeit kommen wir nur dem nach, was wir eigentlich wissen, gerne aber aus Bequemlichkeit zur Seite schieben. Warum also die Abkehr vom Laster? Weil wir plötzlich den Glauben wiedergefunden haben? Denn immerhin ist der Hintergrund für die Festsetzung der Fastenzeit das 40-tägige Fasten Jesu in der Wüste. Wohl kaum. Was treibt uns tatsächlich zum Verzicht? Das schlechte Gewissen? Ein dicker Bauch nach Weihnachten, Silvester und Karneval? Selbstkasteiung? Es wird von allem etwas dabei sein. Aber seien wir mal ehrlich: Zumeist machen wir es, um uns selbst zu gefallen und die Bestätigung zu erhalten, in dem wir sagen: „Cool, ich kann noch 40 Tage auf Alkohol verzichten. Und die Schokolade brauche ich auch nicht. Und erst recht nicht Facebook, Twitter und Co.!“ Vorausgesetzt, das Fasten-Vorhaben gelingt. Wehe dem nicht. Und wenn doch…

…dann kommt Ostern: Wir brettern uns heftig einen beim Griechen rein, der Gyros und Ouzo in Massen serviert, verputzen am nächsten Tag in Rekordzeit den Lindt-Schokohasen und gammeln Stunden vor TV-Schinken wie Ben Hur und Sissi. Und wundern uns plötzlich, warum es uns Ostermontag beim 10k-Lauf nicht ganz so locker geht wie noch an Karfreitag. In dem Sinne: PROST! Und MAHLZEIT!

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