
Wer braucht das Brandenburger Tor, wenn es die Müngstner Brücke gibt? Und vor allem: Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah. Das dachte ich mir bei meiner Planung für die Vorbereitung auf den Istanbul-Marathon Mitte November auch und suchte fortan nach längeren Läufen in der Umgebung. Solingen gehört gerade noch so eben dazu und damit auch der Wupperberge-Marathon. Ein kleiner, schnuckliger Einladungslauf, der von einem Menschen (Oli) rührselig organisiert wird. Also: Machen!
Besagter Oli hatte mir Wochen zuvor einen gehörigen Schreck eingejagt, als er mir mitteilte, dass der WBM deutlicher anstrengender sei als der benachbarte Röntgenlauf. Und auch der ist nicht ohne, was ich ja 2013 erfahren habe. 1500 Höhenmeter sagen ja auch schon genug aus, und 42 Kilometer sind ja nie wirklich ein Pappenstiel, ich wusste also in etwa, auf was ich mich hier einlassen würden.
Gefühlt 100 bis 150 Starter machten sich auf den Weg, und vor allem auf den ersten Kilometern ging es zu wie bei einem Ferrari-Treffen, auf dem jeder nur so mit seiner Kiste prahlt. „Schwanzvergleich“ nennen es die einen, Respekt erhaschen die anderen. Und so hörte man von den vielen Ultras, die Läufer X gerade hinter sich gebracht hat, sieht Tshirts von wahnwitzigen Distanzen über der 150 Kilometer-Marke und erfährt von Menschen, die jetzt nur noch Wüsten-Marathons laufen, weil ihnen die anderen zu einfach geworden sind. Nun gut. Ich ließ meinen Penis mal in der Hose und lief ohne große Prahlerei los. 😉
Recht bald hatte sich das Feld entzerrt und kleinere Grüppchen mit dem gleichen Leistungsvermögen gebildet. Der erste ernsthafte Anstieg sollte der zu Schloss Burg sein (Kilometer sechs). Normale Menschen nutzen die Gondel aus dem Tal, wir laufen. Über mehrere Schleifen ging es, an zum Teil entsetzten Touristen-Gruppen vorbei, bis nach oben. Tolle Aussicht, aber dafür waren wir ja nicht hier. Wenig später folgte der erste anspruchsvolle Downhill – eigentlich geil, aber ich hatte mir ja geschworen, diese diesmal gemächlich anzugehen, um nicht wieder umzuknicken. Der aus der Vorwoche noch lädierte Knöchel steckte übrigens in einem dicken Kinesio-Tape-Verband, den ich mir am Morgen selbst angelegt hatte und der ein wenig Halt gab. So kam es aber dazu, dass mein Downhill-Zeiten zum Teil erheblich über denen waren, die ich auf normaler Strecke auf den Weg brannte. Aber egal, es sollte ja heute nicht auf Zeit gehen.
Die Route folgte als bald dem Schema „Bergauf-Bergab“. Oli sollte nicht gelogen haben, knackig war es allemal. Aber auch wunderschön, fast immer wurde man „oben“ mit einem tollen Blick über das Bergische Land belohnt, unten rauschte dann ständig die Wuppe an einem vorbei. Bis auf wenige Ausnahmen ging es über Wanderwege, hier und da aber auch über Pfade, die man erst beim zweiten Hinsehen als solche erkannte. Die muss man erst einmal kennen und vor allem läuferisch ertesten. Erstaunlicherweise konnte ich die meisten Uphill-Passagen wirklich laufen anstatt zu hiken. Was sicherlich auch daran lag, dass ich nun zwei, drei Läufer um mich herum hatte, mit denen man sich in der Führungsarbeit immer wieder abwechseln konnte.

Dumm nur, dass ich die Bande bei Kilometer 29 kurz mal aus den Augen verloren hatte, und plötzlich alleine dastand. Keiner vor mir, keiner hinter mir – und zack, war es geschehen. Die bis dahin gute Beschilderung (Oli hatte das noch in der Nacht erledigt > Respekt) hatte genau hier eine kleine Schwäche, ich übersah den kleinen Pfeil auf dem Boden und lief stumpf geradeaus. Nach gut einem Kilometer dämmerte es mir, dass ich wohl irgendetwas verpasst hatte. Keine Schilder mehr, dafür nur Asphalt, viele Autos – das kann nicht richtig sein. Vergeblich versuchte ich, den GPX-Track zu laden, doch das Handy zeigte „Kein Netz“. So blieb mir nichts anderes übrig, als zurückzulaufen. Irgendwann war ich wieder in dem kleinen Örtchen Balkhausen und traf einen weiteren umherirrenden Läufer, mit dem ich dann aber doch den richtigen Abzweig finden konnte. Vielleicht hätte es hier ein Schild mehr getan (wobei ich aber auch davon hörte, dass hier und da Schilder mutwillig entfernt worden waren).
Egal, Mund abwischen, kann passieren. Blöd allerdings, dass nun natürlich meine Gruppe auf und davon war. In dem Gelände eine Viertelstunde, 20 Minuten, aufzuholen, kostet Kraft, die ich aber heute nicht aufwenden wollte. Und noch blöder, dass ich bei meinem Umweg den korrekten Weg nur um wenige Meter verpasste (siehe Bild).
Mit neuen Mitläufern ging es nun ein paar KM weiter, ehe ich sie hinter mir lassen konnte. Der Frust über die Zusatzkilometer war verpufft und es machte wieder Spaß. Dennoch ließ ich wohl ab KM38 die Zügel etwas schleifen und bekam wieder Gesellschaft von hinten. Das war gut so, denn nur wenig später standen wir zu dritt an einer Kreuzung, von Richtungspfeilen keine Spur. Nur dank des GPS-Gerätes, was einer der beiden mit sich trug, konnten wir den Weg finden. Bloß jetzt nicht noch einmal verlaufen. Ich konnte die beiden noch einmal abschütteln, wurde dabei aber auch von einem Trail-Opi in einer Geschwindigkeit überholt, die mich staunen ließ. Stark. Und dann sollte ich es doch noch einmal schaffen, nicht den richtigen Weg zu treffen. Statt die Runde im „Stadion“ gegen den Uhrzeigersinn zu laufen, wählte ich die andere Richtung, so dass ich von hinten durchs Ziel lief. Was solls. Spaß gemacht hat es auf jeden Fall – und ich werde Olis Läufe immer mal wieder in Erwägung ziehen, denn das war echt klasse! Applaus!
Mit einem Ergebnis ist am Montagabend zu rechnen….und hier ist es: ich war nach 5:03h im Ziel, bedeutet Platz 31 (von 72 gestarteten Männern. Ohne meinen zusätzlichen Schlenker hätte ich das Ding aber auch nicht gewonnen (das gelang Sven Winkelmann in 3:52h), sondern wäre lediglich ein paar Plätze weiter vorne gelandet. Den Oberhausener Sascha Kowalski vom OTV traf ich zB immer mal wieder auf der Strecke, er kam bei 4:40h als 17. rein).